Systemische Aufstellungsarbeit als Prozeß
Martin Lenz, Mai 2017, für die Ausbildungsgruppe
Der Prozess, den wir gemeinsam mit der systemischen Aufstellungsarbeit durchlaufen, gliedert sich in vier Phasen, die aufeinander aufbauen, aber in der Praxis oft einander durchdringen und mehrmals durchlaufen werden. Es ist wichtig, zum besseren Verständnis diese einmal klar voneinander zu unterscheiden. Die ersten beiden Phasen gehören zur klassischen Familienaufstellung, die nächsten beiden gehen darüber hinaus, können aber durch Aufstellungsarbeit unterstützt werden.
1. Verstrickungen lösen
Verstrickung in das Familiensystem heißt, mehr oder weniger nicht das eigene Leben zu leben, sondern in einer Funktion für das System und/oder einen bestimmten Menschen zu stehen. Die Hauptformen sind: Identifizierung (Übernahme und / oder versuchter Ausgleich eines Schicksals), Parentifizierung (Elternersatz für die Eltern), Triangulierung (Partnerersatz für einen Elternteil).
Die Lösung ist die Erkenntnis, dass der Versuch dieser unbewussten Kinderliebe (das magische Verständnis durch Aufopferung helfen zu können) zum Scheitern verurteilt ist und das an deren Stelle die bewusste Liebe (die jedem sein Schicksal lässt, aber niemanden ausschließt) eine viel tiefere Verbindung schafft. Auf diese Weise wird man wieder man selbst, wacht aus dem Wahn auf und fängt nun erst an, die Wirklichkeit wahrzunehmen. Die eigene Lebensenergie fließt wieder (mehr) zu einem selbst.
2. Das Leben nehmen
Hier geht es darum, den Kampf gegen das eigene Schicksal aufzugeben und das Leben, so zu nehmen, wie es mir gegeben wurde. Der Kampf gegen die Eltern ist immer ein Kampf gegen sich selbst, der niemals endet, denn er bindet die Kräfte hier, ohne das jemals eine Lösung eintritt. Es ist die kindliche Vorstellung, dass eines Tages die Eltern (oder andere an deren Stelle) alles wieder gut machen. Diese Opferhaltung kann man beenden, indem man sich selbst die Anerkennung gibt und indem man das Leben von den Eltern, von den Großeltern und Ahnen aktiv nimmt. Man stellt sich quasi mitten hinein in den Lebensfluss und erkennt sich als Teil eines größeren Zusammenhangs (so wie alle anderen auch). Auf diese Weise kann man sich endlich entspannen und Frieden finden. Die im Kampf gebunden Kräfte werden frei.
3. Ablösung von der Familie
Um ein eigenes Leben zu führen, müssen wir unsere Herkunftsfamilie verlassen. Wir würdigen die guten Dinge, die wir bekommen haben und erfahren diese als eine gute Kraft in uns. Die Energielinien, die uns weiter destruktiv an unsere Herkunftsfamilie (besonders an unsere Eltern) binden, müssen wir durchtrennen, wenn wir frei sein wollen. Wir wagen es, die familiären Verhaltensmuster, die schon über viele Generationen weitergegeben wurden und die wir nicht fortführen möchten, jetzt zu beenden. Wir werden untreu und beginnen zu erforschen, welchen ganz eigenen Weg wir gehen wollen.
4. Manifestation des Eigenen
Mit der Kraft des eigenen Willens können wir jetzt wirklich neue Erfahrungen machen. Wir setzen uns ganz eigene Ziele und manifestieren neue Lebensumstände. Unser Maßstab ist die Freude am Leben. Die Wunden, die uns das Schicksal geschlagen hat, enthüllen sich jetzt als ein Erfahrungsschatz, den wir für den eigenen Weg brauchen. Das Puzzle wird ganz. Auf diese Weise erleben wir immer mehr, wer wir wirklich sind. Dies ist unsere tiefste Sehnsucht.