Traumaheilung / Arbeit mit dem Inneren Kind

Was sind Traumata?

Ein Trauma ist ein psychischer Mechanismus, der einsetzt, um eine überwältigende Erfahrung zu überleben. Die intensiven Gefühle und oft auch das gesamte Erleben werden abgespalten und ins Unterbewußte verdrängt. Diese Energie wird nun durch eine mehr oder weniger offene Abwehr aus Überlebensstrategien gefangen gehalten.

Ein Schocktrauma entsteht durch einzelne lebensbedrohlich erlebte Trennungs- oder Gewalterfahrungen und kann sowohl Kinder wie Erwachsene betreffen. Ein Bindungstrauma (oder auch Entwicklungstrauma) entsteht durch eine frühe dauerhafte lieblose Situation in der Herkunftsfamilie. Eine Bindungstörung zur Mutter kann sich schon im Mutterleib, bei der Geburt oder in den ersten Monaten ausprägen.

Von einem Symbiosetrauma oder von einer systemischen Verstrickungen sprechen wir, wenn Mutter, Vater, die Großeltern oder andere wichtige Systemmitglieder traumatisiert sind und diese Gefühle und oft auch die entsprechenden Abwehrstrategien vom Kind unbewußt übernommen werden. Dies geschieht, weil das Kind zu klein ist, um zu unterscheiden und später, weil es zuwenig positve Bindungsmöglichkeiten hat und daher die Bindung im Leid sucht. Andererseits suchen auch traumatisierte Eltern Entlastung über das Kind.

Praxis Martin Lenz Berlin
Traumaheilung – Praxis Martin Lenz Berlin

Traumata führen zur Spaltung in der Psyche. Die verborgenen Traumagefühle können durch ähnliche heutige Erfahrungen geweckt werden. Hinter den sogenannten Reinszenierungen im Leben steckt der unbewusste Wunsch nach Heilung, die Spaltung zu überwinden. Die Überlebensmuster wollen um jeden Preis die Wiederholung des Traumas verhindern, ermöglichen dem Kind zunächst tatsächlich auch das Überleben, erzeugen aber im Laufe des Lebens oft sehr viel zwischenmenschliches Leid, sowie körperliche und psychische Symptome. Dann gibt es in der Psyche immer auch gesunde Anteile, die allein die Heilung bewusst einleiten können.
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Was ist das Innere Kind?

Arbeit mit dem inneren Kind – Praxis Martin Lenz Berlin

Wir können uns vorstellen, dass in uns immer noch das innere Kind von damals lebt – mit Sonne und Schatten. Als dunklen Anteil trägt es sowohl die unterdrückten abgespaltenen Traumagefühle (Angst, Schmerz, Schuld, Scham usw.) als auch die Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster, die diese Gefühle abwehren und einst das Überleben sicherten. Das innere Kind ist unser Unterbewußtsein und auch unser Körper und es heißt, dass es bis zu 95 % unserer Entscheidungen bestimmt. Das erwachsene Ich kann nur im Einklang mit dem inneren Kind Veränderungen manifestieren.
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Was sind Überlebensmuster?

Entweder passt sich das Kind bis zur Selbstaufgabe an, um die Bindung zu den Eltern zu retten – es lebt nun in symbiotischer Verstrickung mit ihnen und verhält sich so, wie diese es wollen und brauchen, um vielleicht irgendwann doch noch ihre Liebe zu bekommen. Oder es hat die Bindung zu den Eltern mehr oder weniger aufgegeben und sich ins Innere bis zur Isolation zurückgezogen, um so wenigstens seine seelische Autonomie zu retten. Jeder Mensch hat beide Tendenzen in sich, neigt aber oft mehr oder eindeutig zu einer Seite.
Es folgt eine unvollständige nicht ausdifferenzierte Liste von Überlebensmustern, die sich aus diesen Grundimpulsen ergeben können:
– Angstsyndrom (Projektion der Angst auf Dinge und Situationen);
– das ewige Kind (braucht Hilfe, ist erfolglos oder krank);
– Helfersyndrom (sucht Anerkennung durch Leistung für andere);
– äußerer Erfolg (sucht Anerkennung und Sicherheit durch Leistung);
– der bessere Mensch (sich moralisch über andere stellen, sich dadurch richtig fühlen);
– Manipulation und Kontrolle (durch Macht, Perfektionismus, zwanghaftes Nettsein, Krankheiten);
– ständige Abwehr (durch Nörgeln, Kritik, Wut und Kampf);
– Scheinautonomie (kommt alleine klar, andere sind zuviel);
– Selbsthass (ständige Selbstkritik, Scham, Schuld, Unfälle, bewußte Körperverletzungen);
– Vermeidung und Betäubung von Gefühlen (durch Denken, Reden, Arbeit, Essen, Drogen, Sex usw.).
Diese Muster gehen oft ein Leben lang aus Angst oder Gewohnheit weiter, auch wenn die Abwehr im Sinne des Überlebens heute keinen Sinn mehr macht.
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Was ist der innere Erwachsene?

Eine Veränderung kann nur aus dem gesunden inneren Erwachsenen, aus dem bewußten Ich heraus geschehen.

Wir können uns in jedem Moment entscheiden – entweder wir folgen weiter der Angst und damit den gewohnten Überlebensmustern mit all den Symptomen oder wir riskieren die Liebe und entscheiden uns so für ein gesundes Leben, in dem die Grundbedürfnisse nach Bindung und Autonomie keine Gegensätze darstellen, sondern sich zu Beziehungsfähigkeit und Selbstwirksamkeit ergänzen. Das Anliegen des gesunden Erwachsenen ist die Befreiung des inneren Kindes aus Symbiose und Isolation. Statt es weiter zu ignorieren oder zu verurteilen, wendet er sich dem inneren Kind liebend zu. Wenn es sich sicher genug fühlt, wird es sich erlauben, die abgespaltenen Traumagefühle wieder fließen zu lassen. Der gesunde innere Erwachsene kann diese Gefühle und das innere Kind liebend im Herzen halten. So geschieht Heilung, die abwehrenden Überlebensmuster werden zunehmend überflüssig und versteckte Potentiale werden frei.
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Familienaufstellung und Traumaheilung - Praxis Martin Lenz Berlin
Traumaheilung – Praxis Martin Lenz Berlin

Wie geschieht Traumaheilung als Arbeit mit dem inneren Kind?

Traumaheilung kann in der Einzelsitzung mit inneren Bildern (verstärkend mit Hypnose) oder auch in einer Gruppenaufstellung stattfinden. Bei einem Schocktrauma gehen wir innerlch auf der Lebenslinie bis zu dem auslösenden Ereignis zurück oder wir stellen die ursprüngliche traumatische Situation auf. Wir können auch in einer Aufstellung in der Zeit vor und zurück gehen. Der innere Erwachsene und oft auch beteiligte Erwachsene in der damaligen Situation können dem inneren Kind beistehen, ihm Liebe und Kraft geben, um dem Ereignis den Schrecken zu nehmen und es nun bewusst und engültig zu durchleben. Die angestauten Traumagefühle können endlich wieder fließen. Negative Gefühle wie Hass und Schuld werden durch Einsicht oder Vergebensarbeit aufgelöst. Das innere Kind versteht, dass diese Erfahrung nun vorbei ist. Geist, Körper und Nervensystem können entspannen.
Die Heilung eines Bindungstraumas vollzieht sich durch die Entwicklung einer festen liebevollen Beziehung des inneren Erwachsenen zum inneren Kind, zu seiner ganzen Gefühlswelt von Verlassenheit, Schmerz, Angst und Wut, aber auch zu seiner Neugierde, Kreativität und Freude. Das innere Kind muss nun nicht mehr vergeblich die Liebe von Außen erhoffen, sondern bekommt diese durch die stabile innere Verbindung. Es muss sich auch nicht mehr zwanghaft schützen, da es vertrauen kann. Oft wird das innere Kind im Bauch verortet und der innere Erwachsene im Kopf. Die Gemeinsamkeit entsteht dann in einem offenem Herzen voller Vertrauen, Verständnis und Mitgefühl.
Wichtig ist, dass der innere Erwachsene sich nicht identifiziert mit den Traumagefühlen des Kindes. Wenn z. B. ein kleines Kind weint und die Mutter es ignoriert oder beschimpft, handelt sie aus ihrer Abwehr heraus. Wenn die Mutter sich völlig mit dem Schmerz des Kindes identifiziert, ist auch kein Erwachsener da und das Kind ist immer noch allein und hat Angst. Deshalb ist es wichtig, dass der innere Erwachsene groß und unabhängig bleibt und die Gefühle des Kindes in seinem bewußten Mitgefühl hält – das ist die Heilung im Herzen.
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Inneres Kind und Familienaufstellung

Wenn wir in Aufstellungen mit der Herkunftsfamilie arbeiten, ist der Stellvertreter für den aufstellenden Klienten in der Regel ein früheres Kinder-Ich. Ob der Aufsteller klassisch für seinen Stellvertreter eingewechselt wird oder ob er innerhalb der Aufstellung mit dem Kinder-Ich-Stellvertreter kommuniziert, ist eine methodische Frage. Letzlich muss sich dieser Dialog im Innern des Klienten vollziehen.
Systemische Verstrickungen werden in Aufstellungen sehr gut sichtbar. Wir erkennen, wo das innere Kind Traumagefühle oder Überlebensmuster von Eltern, Großeltern, Geschwistern oder anderen aus dem System trägt. Hier muss der innere Erwachsene das innere Kind an die Hand nehmen und mit ihm unterscheiden lernen zwischen dem Schicksal der Anderen und dem eigenen Leben.
Leichte Trennungstraumata kann man in einer Familienaufstellung durch Hinbewegung des Klienten zum Stellvertreter von Mutter oder Vater lösen, wenn der Widerstand vor allem aus den Schutzmechanismen des Kindes bestehen. Oft geht es um die Vermeidung, den Trennungsschmerz wieder zu erleben. Die Herzen der Eltern sollten für das Kind erreichbar sein. Hellinger spricht davon, „nachträglich die (damals) unterbrochene Hinbewegung ans Ziel (zu) bringen“.
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Inneres Kind und Traumaaufstellung

Beim Schocktrauma stelle ich oft direkt die Situation mit den beteiligten Personen auf (schwere Geburt, Unfall… Kind, Mutter, Arzt, Autofahrer usw.). Dabei kommt mir das Phänomen zugute, dass es in Aufstellungen keine Zeit gibt, diese aber jederzeit konkretisiert werden kann, d.h. man kann auf der Zeitlinie vor und zurückgehen. Früher oder später bringe ich den Klienten selbst in die Aufstellung hinein.
Bindungstraumata können nicht durch einfache Versöhnungsarbeit gelöst werden, da die Eltern und andere Familienmitglieder selbst die Täter sind und es bei schematischer Durchführung von Hinbewegungen zu Retraumatisierungen kommen kann. Es geht zwar darum, sich nicht in Hass und Kampf zu verstricken, den Opferstatus zu verlassen und letztlich auch anzuerkennen, dass das Leben trotz allem in dieser Familie, von diesen Eltern empfangen wurde, aber die Heilung muss sich auf die abgespaltenen inneren Anteile konzentrieren.
Bei Bindungstraumata stelle ich das traumatisierte innere Kind, den inneren abwehrenden Erwachsenen oder auch direkt die benannten Überlebensmuster (Selbsthass, Betäubung usw.), sowie die Mutter und andere wichtige Menschen der Herkunftsfamilie auf. Das gesunde erwachsene Ich sollte durch den Klienten repräsentiert werden, den ich früher oder später zur Heilung in die Aufstellung hinein bringe. Dazu ist es wichtig im Prozess darauf zu achten, dass der Klient sich weder mit den abwehrenden Überlebensmustern noch mit dem inneren Kind identifiziert, aber mit beiden Anteilen Mitgefühl hat.
Die Heilung von Bindungstraumata braucht Zeit. Im Sinne einer Psychotherapie kann man hier auch mit mehreren Einzelsitzungen, in die eine Gruppenaufstellung integriert sein kann, arbeiten.