Bedingungen für das Gelingen von Beziehungen

nach Bert Hellinger

1. Bindung und Zugehörigkeit

Die Bindung an die Familie ist elementar für uns als Quell unserer Lebensenergie und wirkt unser ganzes Leben. Sie kann nur vordergründig bekämpft oder ignoriert werden (Folgen: Hassbindung, unbewusste Nachahmung, Depression oder Krankheiten). Wenn man das Leben von den Eltern und Ahnen nimmt, so wie es einem gegeben wurde, dann fühlt man sich kraftvoll und auch frei. Jeder, der zum Familiensystem dazugehört, hat das Recht auf Anerkennung seiner Zugehörigkeit. Dieses elementare Recht wirkt tiefer als jedes moralische Urteil (das sich die „Guten“ über die „Bösen“ anmaßen). Auch die Toten wirken im System weiter.

In der Herkunftsfamilie gehören dazu:
– Eltern und Geschwister (auch Halbgeschwister und alle früh verstorbenen)
– Großeltern und Geschwister der Eltern, manchmal noch wichtige Geschwister der Großeltern, die Urgroßeltern und weitere Ahnen (mit  besonderen Schicksalen)
– alle, aus deren Tod oder Weggang ein Nachkomme einen Vorteil, insbesondere das Leben, gezogen hat: also vor allem frühere Partner der Eltern und Großeltern
– alle, die über Schuld mit der Familie verbunden sind: also Opfer von Tätern oder Täter von Opfern aus der Familie

In der Gegenwartsfamilie gehören dazu:
– alle wichtigen Lebenspartner (die Bindung nimmt mit der Anzahl der Partnerschaften ab): alle mit denen man verheiratet, verlobt oder eheähnlich gelebt hat, mit denen man ein gemeinsames Kind hat, hatte oder gehabt hätte (früh verstorbene, Totgeburten, Fehlgeburten nach dem 3. Monat, abgetriebene Kinder), sehr frühe oder dramatische Partnerschaften (zu denen immer noch eine starke Liebe / Bindung besteht, besonders bei unerfüllter Liebe)
– alle unsere Kinder (auch früh verstorbene, tot geborene, abgetriebene, eventuell auch Fehlgeburten)

Wenn diese Menschen alle in mir da sein dürfen, also einen Platz in meinem Herzen haben, fühle ich mich gut, erfüllt und auch frei.

2. Austausch und Ausgleich

Durch Austausch bleibt die Lebensenergie in Fluß. Die Intensität des positiven Austausches bestimmt unser Glücksgefühl oder Gefühl der Liebe.

Austausch in ungleichen Beziehungen:
– die Großen (Eltern, Großeltern, große Geschwister) geben den Kleinen (Kindern), der Ausgleich erfolgt nicht hier, sondern indem die Kinder später als Erwachsene selber weitergeben
– wer sich weigert zu nehmen (insbesondere das Geschenk des Lebens von den Eltern), kann später nicht oder kaum weitergeben und fühlt sich leer und unglücklich
– das Unerfüllte aus der Eltern-Kind-Beziehung wird oft unbewusst als Erwartung auf die Paarbeziehung oder auf die eigenen Kinder übertragen
– ein Mann wird der Sohn durch die Beziehung zum Vater, die Mutter spiegelt ihm seinen Wert als Mann, bei der Mutter bleibt der Sohn ein „Muttersohn“ und wird später meistens ein Frauenheld
– eine Frau wird die Tochter durch die Beziehung zur Mutter, der Vater spiegelt ihr ihren Wert als Frau, beim Vater bleibt die Tochter „Vaters Tochter“ und wird später meistens nur die Geliebte

Austausch in gleichen Beziehungen (Partnerschaften):
– im Austausch muß immer wieder ein Ausgleich erfolgen, sonst entsteht Ungleichheit, quasi eine Eltern-Kind-Beziehung (erziehen wollen, sich versorgen lassen usw.)
– wer geben will, muß auch nehmen; wer nehmen will, muss auch geben
– man sollte nur soviel geben, wie der Partner zurückzugeben kann
– Bindung entsteht auch durch negativen Austausch
– eine Partnerschaft ist nur zu Ende, wenn der Austausch ausgeglichen ist, ist noch eine Rechnung offen, ist die Trennung noch nicht wirklich vollzogen (Folge: nicht genug Energie für eine neue Beziehung)

3. Ordnung und Verstrickung

Ordnung im Familiensystem heißt: jeder fühlt sich an seinem Platz gut und frei. Jedem ist sein Schicksal zuzumuten. Es gehört zu seiner Würde und Kraft, etwas Gutes daraus zu machen. Wer zuerst da war, hat Vorrang: Eltern haben Vorrang vor Kindern, die Reihenfolge der Geschwister richtet sich nach dem Alter usw.

Verstrickungen sind oft unbewußt und äußern sich als verkehrter Austausch (ein Kleiner will einem Großen geben, ein Großer will von einem Kleinen nehmen) und Unordnung (Plätze sind vertauscht, jemand steht auf einem falschen Platz). Ausgelöst werden sie durch schweres Schicksal in der Familie (früher oder tragischer Tod, Selbstmord, Behinderungen, Verlust, Schuld usw.) und getrieben durch das tiefe kindliche Bedürfnis nach Verschmelzung und Liebe, verbunden mit der magischen Vorstellung, durch Aufopferung für Eltern, Geschwister u.a. helfen zu können.

Das Kind (in uns) sagt (unbewußt) zu ihnen:
– Ich folge dir nach! (z.B. der früh verstorbenen Mutter in den Tod)
– Ich mache es für dich! (anstelle von jemandem das Leben, Familie oder Partner verlassen wollen oder sich sonstwie einschränken)
– Ich sühne für dich! (die Schuld von jemandem übernehmen wollen)
– Ich gebe dir, was dir deine Mutter / dein Vater / deine Frau / dein Mann nicht geben kann! (Eltern- oder Partnerersatz werden)
– Ich mache es genauso wie du! (sich nicht mehr Glück gönnen, als die Eltern hatten oder die Geschwister haben; ein unheilvolles familiäres Muster fortführen)

Dieses „Helfen“ ist zum Scheitern verurteilt („blinde Liebe“) und schadet dem kindlichen Helfer
Symptome für derartige Verstrickungen in das Familiensystem:
– Sog zum Tod (Depression, Krankheiten, Unfälle, Selbstmord)
– Sog zu etwas Fehlendem (Sehnsucht, Sucht)
– Drang, etwas Unbestimmtes lösen zu wollen (Unruhe, Aggression)
– Selbstbestrafung, Unglück, Scheitern, Schulden
– undefinierbare Angst

Die Lösung ist: die Eltern, Ahnen oder Geschwister wirklich sehen, ihnen voller Achtung ihr Schicksal zumuten. Statt sich aufzuopfern, ihnen zur Liebe etwas aus dem eigenen Leben machen („wache Liebe“).

zurück